Geschichte des Gütesiegels

Abgestempelt

Für das Gütesiegel „Made in Germany“ dürfen sich die Deutschen bei den Briten bedanken, die es ihnen zum Geschenk machten. Heute nimmt es mancher bierernst, doch war es schon immer Anlass für heitere Anekdoten.

Mit dem Stempel „Made in Germany“ brandmarkte England seit 1887 Billigimporte aus dem Deutschen Kaiserreich (beschlossen im „Merchandise Marks Act“). Der junge Staatenbund galt damals als das, wofür heute China steht: Ramsch oder gar schlechte Plagiate. Denn die tumben Teutonen konnten schlicht nicht anders. An den deutschen Kleinstaaten war die Industrialisierung vorbeigegangen, was in jeder der Weltausstellungen ab 1851 sichtbar wurde: Dort konnte man höchstens mit traditionellem Handwerk wie Kuckucksuhren punkten, der Rest wurde belächelt.

Der deutsche Michel blieb aber keineswegs ehrlich und bieder bei seinem Handwerk: Die Schmiedebetriebe in Solingen etwa kennzeichneten ihre Messer und Sägen kurzerhand mit der Herkunftsbezeichnung „Sheffield made“, um ihr schlechtes Eisen als guten englischen Stahl zu verkaufen. Um weiter ungeniert abkupfern zu können, boykottierten sie folgerichtig das Pariser Abkommen zum Patent- und Markenrecht von 1883.

Entgegen finsterer Verschwörungstheorien richteten sich die Schutzmaßnahmen nicht allein gegen die Deutschen. Wenig bekannt ist, dass auch das so genannte Madrider Abkommen ab 1891 die korrekte Länderkennzeichnung bei grenz­überschreitendem Warenverkehr verlangte – und zwar von allen Importeuren. 

Aufstieg einer Marke

Die geschmähten Deutschen holten mächtig auf, nachdem sich 1870/71 im Zuge der Reichsgründung eine bessere Infrastruktur entwickelt hatte. Bezüglich Quantität überschwemmte etwa das Ruhrgebiet die halbe Welt mit Eisen, Stahl und Kohle. Ähnlich sah es mit der Qualität aus: Ausgehend von hochwertigen Kleinserien baute etwa die deutsche Fotoindustrie ab dem späten 19. Jahrhundert ihren Vorsprung rapide aus.

Das Label „Made in Germany“ entwickelte sich zum Bumerang für alle, die einheimische Käufer vor den Halunken vom Festland schützen wollten. Die Briten bevorzugten stattdessen zunehmend die Importe. Schließlich waren sie dank geringer Lohnkosten billiger, aber von ähnlicher Qualität wie einheimische Ware. Dieses Markenzeichen setzte sich nach Übersee bis in die USA durch. 

Britischer Albtraum

Die historische Abbildung zeigt, wie bei der Firma
Schott eine optische Scheibe gegossen
wurde. Der Hersteller produzierte seit 1884
unter anderem Linsen für Objektive.

Der englische Journalist Ernest Edwin Williams schaute sich ab 1895 in Deutschland um. Was er sah, alarmierte ihn: In den Firmen betrieb man eifrig Grundlagenforschung und die Geschäfte brummten. In der Zeitschrift „New Review“ teilte er seinen Lesern in der Serie „Made in Germany“ Erschreckendes mit. Neben einer Mahnung an die Leser, sich rasch der Herausforderung zu stellen, offenbarte er ihnen einen prophetischen Traum: „Wenn Du ein Landsmann mit Verdauungsstörungen bist, gehst Du schlafen, nur um zu träumen, dass Dir der Heilige Petrus (mit einem ordnungsgemäß aufgeprägten Heiligenschein um seinen Kopf und einem Schlüsselbund aus dem Rheinland) den Zugang zum Paradies verwehrt hat, weil Du nicht das ‚Zeichen des Tiers‘ auf deiner Stirne trägst, und Du nicht deutscher Herkunft bist. Aber Du tröstest Dich mit der Tatsache, dass es sich ohnehin nur um ein Hofbräuhaus-Paradies handelt.“

Neubesinnung

Horst Franke, Mitinhaber der Rollei-Werke,
präsentierte 1966 die 66 Nachahmer – davon
43 aus Japan – seiner zweiäugigen SLR.
Bild: Prophoto Bildarchiv

Es folgten paradiesische Zeiten für das Gütesiegel. Überall auf der Welt wertete es Produkte auf: Leica, Zeiss oder fast vergessene Namen wie Telefunken schmückten sich damit. Die Konkurrenz kam ausgerechnet aus den eigenen Reihen. Schließlich gab es ab 1949 „zwei Deutschlands“, die nicht nur politisch, sondern auch ökonomisch in Konkurrenz standen.

Im Kalten Krieg entbrannte ein heißer Streit darüber, ob auch Waren aus der DDR als „Made in Germany“ galten. Zuerst wurde dem Osten das Original überlassen, und man hob sich stolz mit „Made in Western Germany“ ab. Später merkte man, dass ­dies eine dämliche Idee war. Denn damit hatte man ein bestens eingeführtes Markenzeichen einem nur „halbwegs zivilisierten Land“ (Regierungssprecher Conrad Ahlers, 1970) überlassen.

Glücklicherweise folgte im Zuge der „Gestattungsproduktion“ eine Änderung. Unter dieser Bezeichnung durften DDR-Betriebe im Auftrag westlicher Unternehmen produzieren, was dringend benötigte Devisen ins Land brachte. Den Weg bereitete eine Verordnung des Ministerrats, nach der alle DDR-Exportartikel mit „Made in GDR“ gekennzeichnet werden mussten. Das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ zitiert Günter Wiegand, den damaligen Uhrenkonstrukteur in den VEB Glashütter Uhrenbetrieben, mit den Worten: „Wir empfanden das damals regelrecht als geschäftsschädigend“.

Die heutigen Produktionsverfahren höhlen den Begriff „Made in Germany“ zunehmend aus: fremde Rohstoffe, vorgefertigte Bauteile und ausgelagerte Arbeitssschritte machen es zweifelhaft, manches Produkt noch damit zu deklarieren. Doch ist seine über hundert Jahre alte Geschichte es wert, sich jeden Tag an diesem Anspruch zu messen.